Die gute Tochter

Moo gilt in ihrer Familie als gute Tochter. Sie wuchs in Thailands Nordosten auf.  Ihr Vater erkannte frühzeitig ihr Lieblingshobby und als lebenserfahrener Mann sah er auch gleich das finanzielle Potential dieses Hobbys, so es denn mit Farang statt mit den benachbarten Bauernlümmeln betrieben wird. Natürlich mussten die Nachbarn und Verwandten informiert werden und so wurde ihnen berichtet, dass Moo das große Glück hatte, auf Phuket eine Anstellung als Sekretärin, und das auch noch in einer Farang Firma, zu finden. Und da Farang bekanntlich besser bezahlen als Thai, ist sie nun in der Lage, regelmäßig Geld  an ihre Familie im heimatlichen Dorf zu überweisen. Welch gute Tochter! Wie viel Lao Kao für den Vater! Welch großes Gesicht für die Familie!

Ihre Brüder dagegen hatten nicht so viel Glück, fanden sie doch auf Phuket allenfalls einen Job als Bauarbeiter. Der wird natürlich nicht so gut bezahlt und so konnten sie auch kein Geld an die Familie im heimatlichen Dorf überweisen, so dass sie es vorzogen, eben dorthin zurückzukehren. Immerhin müssen sie dort nicht für ein so entwürdigend geringes Geld schwer arbeiten und haben außerdem noch ausreichend Zeit und genügend  Partner, ihre Fertigkeiten im Pool Billard zu vervollkommnen.

Zwar hatte Moo in der Schule große Schwierigkeiten mit dem Schreiben und Lesen, denn man schreibt im Thai Konsonanten von links nach rechts, aber die einem Konsonanten folgenden Vokale werden (je nachdem) vor, hinter, unter oder über dem Konsonanten geschrieben. (Das könnte übrigens auch das Verhalten vieler Thai im Straßenverkehr erklären.)  Auch war das Rechnen  nie ihre große Stärke, tendiert sie doch noch heute dazu, dass 6 plus 3 63 ergeben könnte. Aber zum Glück schätzen es Thai nicht, zu fragen. Denn wie kann man nur so dumm sein, so etwas nicht zu wissen. Und wenn der Befragte es gar auch nicht weiß, ist er völlig bloßgestellt und hat viel Gesicht verloren. Und überhaupt, so lange Geld kommt, besteht gar kein Anlass zum Fragen.

Früher glaubte ich, das Nichtfragen sei eine besondere Eigenheit der Thai, aber dann lernte ich etliche Farang kennen, die hier leben und der festen Überzeugung sind, dass man nicht von ihnen verlangen könnte, entweder Thai oder Englisch zu sprechen. Wenn dann wieder mal etwas völlig schief gegangen ist, sind sie natürlich gänzlich schuldlos, denn das hätte man ihnen ja wohl alles vorher sagen müssen. Der Einwand, dass Informationen eine Holschuld sind, wird mit dem Hinweis abgeschmettert, dass die einen nicht verstehen wollen.

Vollends schwierig wird es dann, wenn die Fragenden auch noch sprachlich brillieren, so war ich unlängst Zeuge, wie ein Mitarbeiter der Immigration mit Deutsch als 3. Sprache arg aus dem Konzept gebracht wurde, als ihm ein Deutscher erklärte, er wolle „ein Visum haben, wo ich nicht immer nach Ranong muss“. Gemeint war ein Retirement Visum.

Aber ich schweife ab.

Die Geschichte mit Moo ist irgendwie typisch und passiert in dieser oder ähnlicher Form immer wieder. Natürlich passiert es auch ganz anderes.

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